Tastaturen sind heutzutage aus dem Arbeitsalltag vieler Menschen nicht mehr wegzudenken und neben der Maus das Hauptinstrument, über das mit dem Computer interagiert wird. Wenn man den Großteil des Tages am Computer sitzt, kann es durchaus sinnvoll sein, sich etwas eingehender mit seinem Handwerkszeug zu beschäftigen. Hier in der Scandio finden sich nicht nur passionierte Coder*innen, sondern auch viele Spezialist*innen aus den verschiedensten Bereichen. Einer davon ist Tobias, der sich schon länger intensiv mit alternativen Tastaturlayouts beschäftigt und nun seine Erfahrungen aus der Welt der obskuren Tastaturen mit uns teilt! In dieser Ausgabe unseres Scandio Reports erfahrt ihr, was es mit QWERTZ, Dvorak und Colemak auf sich hat und wie man sich im Home Office ergonomisch am besten einrichtet.

An dieser Stelle der Hinweis, dass bei Schmerzen bei der Arbeit ein Arzt aufgesucht werden soll und dieser Artikel eigene Erfahrungen widerspiegelt. Es handelt sich hier um eine persönliche Meinung, der Autor ist kein medizinischer Experte!


Was versteht man unter einem alternativen Tastaturlayout?

Tobias: Wenn man von einem Tastaturlayout spricht, kann man zwei Dinge meinen: zum einen kann die relative Anordnung der Buchstaben zueinander anders sein, zum anderen kann die Anordnung der Tasten zueinander oder der Formfaktor anders sein. Es gibt neben der “normalen” QWERTZ-Variante, benannt nach den ersten fünf Buchstaben in der obersten Buchstabenreihe, noch andere Varianten, die Buchstaben zueinander anzuordnen. Ebenso sind die Positionen der Tasten relativ zueinander nicht in Stein gemeißelt.  Veränderungen in beiden Kategorien bedürfen einer Umstellung, aber in meinen Augen sind beide Veränderungen den Aufwand wert.

Welche Vorteile hat die Verwendung eines alternativen Tastaturlayouts?

Tobias: Für mich geht es vor allem um Komfort und auch um das Vorbeugen von Berufserkrankungen (Stichwort Repetitive-Strain-Injury-Syndrom, Karpaltunnelsyndrom). Bei einer konventionellen Tastatur sind die Buchstaben nicht so verteilt, um die Anstrengung beim Tippen zu minimieren. Das bedeutet, dass man zum Beispiel häufiger als notwendig ungemütliche Buchstaben, die aufeinander folgen, hat (ein Beispiel: Minimum). Außerdem sind die Buchstaben auf der Ruheposition der Hand, ASDF links und JHKL rechts, nicht gerade die häufigsten Buchstaben. Für die häufig vorkommenden Buchstaben muss man die Finger also mehr bewegen als vielleicht notwendig wäre. Der horizontale Versatz der Tastenreihen ist für die linke Hand auch nicht natürlich und kann Ulnardeviation begünstigen.

Genauso sind die Hände recht nahe beieinander. Das kann leichter dazu führen, dass man die Schultern hängen lässt und nach vorne nimmt, den Kopf nach vorne schiebt und im Allgemeinen einfach “im Stuhl hängt”. Außerdem begünstigt es ebenfalls Ulnardeviation. Die Standardtastaturen sind auch oft flach, es liegen also alle Buchstaben in der gleichen Ebene, die oft parallel zum Boden ist, was leicht zur Pronation der Unterarme führt. Das alles kann zu Verspannungen führen, nicht nur in den Händen, sondern auch im Nacken, in den Schultern etc. Durch alternative Tastaturlayouts lässt sich der Arbeitsalltag diebezüglich einfach komfortabler gestalten.

Wie kamst du darauf, eine alternative Tastatur und ein alternatives Tastaturlayout zu benutzen?

Tobias: Ich habe schon immer gerne möglichst viele Tastaturkürzel verwendet (Strg-C für Kopieren, Strg-V für Einfügen, Alt-Tab zum Wechseln zwischen Fenstern etc.). Viele dieser Abkürzungen verwenden mindestens Strg, manchmal auch noch Shift mit dazu. Dazu kommt, dass im Deutschen natürlich auch vieles groß geschrieben wird, was das Halten von Shift voraussetzt. Diese ständige Benutzung von Strg und Shift habe ich immer nur mit der linken Hand bzw. dem linken kleinen Finger gemacht. Nach einiger Zeit hatte ich abends nach der Arbeit dann Schmerzen im Handgelenk, weshalb ich angefangen habe, mich mit Ergonomie im Allgemeinen (beide Shifts/Strgs so verwenden, dass man nicht mit einer Hand gleichzeitig Shift/Strg hält und den Buchstaben drückt) und mit Tastaturen im Speziellen zu beschäftigen. Dabei habe ich schnell festgestellt, dass sowohl die relative Anordnung der Buchstaben als auch die der Tasten zueinander noch von den Schreibmaschinen übernommen wurden und nicht die heutigen Möglichkeiten moderner Technik berücksichtigen. Also habe ich mich auf die Suche nach Alternativen gemacht.

Was gibt es für alternative Tastaturen/Tastaturlayouts bzw. welche nutzt du?

Tobias: Bekannte alternative Tastaturlayouts sind zum Beispiel Dvorak und Colemak. Dvorak gehört zu den ersten alternativen Layouts, Colemak ist etwas moderner und versucht, eine Verbesserung gegenüber QWERTZ zu sein, wobei aber Tasten von viel genutzten Tastaturkürzeln auf ihrer Position blieben, um den Umstieg zu erleichtern. Auf der Suche nach einem alternativen Tastaturlayout war mir eine wissenschaftliche Herangehensweise wichtig, weshalb ich mich für keine der beiden genannten Alternativen entschieden habe, sondern mich für eine modifizierte Version der K.A,Y-Variante des ADNW-Layouts entschieden habe. Kurzgesagt wurde dort ein Korpus aus Literatur mit einer zufälligen Anordnung der Buchstaben auf einer normalen Tastatur simuliert getippt. Anhand verschiedener Metriken wurde das Ergebnis evaluiert (zum Beispiel wie oft welcher Finger verwendet wird), dann wurden zwei zufällige Buchstaben vertauscht und das Ganze wiederholt. Mit dem besseren Layout wird auf die gleiche Art weiter gemacht, das andere wird verworfen. Das wird solange gemacht, bis man Konvergenz erreicht, sich also die Ergebnisse der beiden Layouts nur noch minimal unterscheiden. Dabei haben die Macher verschiedene Metriken unterschiedlich stark gewichtet, um auf verschiedene Varianten des ADNW-Layouts zu kommen. Die Variante, die ich benutze, legt besonderen Wert darauf, die aufeinanderfolgende Verwendung von zwei benachbarten Fingern, die nicht Zeige- und Mittelfinger sind, zu minimieren, weil diese Bewegungen physiologisch anstrengend sind. Auf der Internetseite des Layouts findet man noch mehr Informationen dazu.

Neben der relativen Anordnung der Buchstaben zueinander gibt es auch Tastaturen, die alternative Formfaktoren und/oder Tastenanordnungen haben. Viele im Büro vorhandene Tastaturen sind sog. 100%-Tastaturen, sie haben 100% der normalerweise auf einer Tastatur vorhandenen Tasten (104 Stück). Sie sind typischerweise “klassisch” angeordnet, also ganz oben die Funktionstasten, ganz rechts der Nummernblock, links davon Pfeil- und Navigationstasten und wiederum links davon die alphanumerischen Tasten.

100 Prozent Keyboard

Die “einfachsten” Alternativen erhält man, wenn man einfach Dinge entfernt, die man vielleicht nicht so häufig braucht. So kommt man zunächst zum sog. TKL-Layout, Tenkeyless.

TKL Keyboard

Was hat man davon? Die Maus ist weniger weit von der Körpermitte nach rechts versetzt (Linkshänder, die ihre Maus links verwenden, können hier leider nichts rausholen).  Durch Entfernen von Freiräumen kommt man zum sog. 75%-Layout (ca. 75% der Tasten einer 100%-Tastatur):

75 Prozent Keyboard

Durch das Entfernen der Funktionstasten erhält man das 65%-Layout:

65 Prozent Keyboard

Entfernen der Pfeil- und Navigationstasten ergibt ein 60%-Layout:

60 Prozent Keyboard

Noch extremer wird es dann durch das Entfernen der Zahlenreihe mit einem 40%-Layout, was zum Beispiel so aussehen kann:

40 Prozent Keyboard

Aber wie kann man hier denn die Tasten, die gar nicht mehr da sind, noch benutzen? Die Antwort ist: Layer. Wenn man auf einer normalen Tastatur Shift hält, dann verändern sich die Tasten im Hintergrund, zum Beispiel wird eine 1 zu einem !. Indem man Shift hält, greift man also auf eine andere Schicht, einen anderen Layer an Tasten zu. Genau so macht man es hier. Hält man bestimmte Tasten (welche ist bei diesen Tastaturen in der Regel konfigurierbar), so verändern sich Buchstaben z.B. zu Pfeiltasten etc. Die Idee ist, nicht mit den Händen zu den Tasten zu gehen, sondern die Tasten zu den Händen zu holen.

Soviel zur Tastaturgröße. Man kann jetzt auch noch anfangen, die Tasten relativ zueinander anders anzuordnen. Warum will man das? In der klassischen Tastatur sind die Tasten zueinander reihenversetzt. Die Reihe, die mit ASDF beginnt, sitzt zum Beispiel eine Viertel Tastenbreite nach rechts versetzt, relativ zur Reihe, die mit QWERTZ beginnt. Die unterste Reihe der Buchstaben ist sogar eine halbe Tastenbreite zur zweiten versetzt. Das ist für die rechte Hand recht angenehm. Wenn man zum Beispiel U drücken möchte, dann bewegt sich im Zehn-Finger-System der rechte Zeigefinger nach links oben. Da bei den meisten wahrscheinlich die Hände nicht perfekt senkrecht zur Tastatur ausgerichtet sind (was auch schlecht für die Handgelenke wäre), sondern eher ein umgedrehtes V bilden, ist diese Bewegung in der natürlichen Bewegungsrichtung der Hand und Finger in Ruheposition. Für die linke Hand ist aber das Gegenteil der Fall. Möchte man zum Beispiel R tippen, dann muss man nach dem Zehn-Finger-System eine Bewegung nach außen machen, was im Handgelenk nicht so angenehm ist. Man spricht von einer Ulnardeviation.

Was gibt es für Alternativen? Eine Alternative sind sogenannte ortholineare Tastaturen. Dort sind die Tasten alle in einem Raster angeordnet. Der Hintergrund ist eine logische Anordnung der Tasten, über die man nicht mehr nachdenken muss. Das sieht dann für eine 40%-Tastatur so aus:

Planck

Hierbei handelt es sich um ein Planck.

Wenn man einen Schritt weiter geht, dann kann man die Tasten spaltenversetzen. Die Idee ist, dass man die unterschiedliche Länge der Finger auf die Tastatur überträgt. Oft macht man bei diesen Tastaturen dann noch einen weiteren Schritt: man teilt sie in der Mitte in zwei Teile. Herauskommen kann dann zum Beispiel so etwas (ein Ergodox EZ):

Ergodox Keyboard

Sehr oft haben diese Tastaturen dann auch Tasten, die mit den Daumen bedient werden, weil die Daumen sehr kräftige Finger sind, aber auf einer normalen Tastatur der Daumen nur für die Leertaste verwendet wird.

Diese geteilten, spaltenversetzten Tastaturen gibt es in vielen Größen und Formen. Die Größen funktionieren analog zu den nicht geteilten Tastaturen. Bei den Formen hat man zum Beispiel Varianz in der Stärke des Versatzes der Spalten. So kann man zum Beispiel die Spalte des kleinen Fingers besonders stark relativ zur Spalte des Ringfingers nach unten versetzen, weil der kleine Finger oft einen stärkeren Längenunterschied zum Ringfinger hat als andere Finger zu ihren Nachbarfingern. Genauso kann die Position und Anordnung der Daumentasten unterschiedlich sein.

Alternatives Tastaturlayout

Was uns schließlich zu meiner Tastatur bringt. Hierbei handelt es sich um ein modifiziertes Corne. Normalerweise hat es 6 Spalten, also außerhalb der Buchstaben noch eine Spalte, aber ich habe eine Version ohne diese Spalten. Ich persönlich finde es sehr angenehm, wenn die Tastatur sehr klein ist und ich die Tasten zu den Fingern bringe und nicht umgekehrt. Außerdem hat mir die Erfahrung gezeigt, dass für mich geteilte Tastaturen mit spaltenversetzten Tasten am angenehmsten in der Verwendung sind, sie öffnen den Brustraum und vereinfachen eine aufrechte Haltung. Die beiden Hälften der Tastatur sind innen “aufgebockt” (im Englischen spricht man von “Tenting”), sodass die beiden Hälften der Tastatur mit der Tischoberfläche ein Dreieck ergeben, was gegen Pronation hilft.

Ein sehr wichtiges Konzept, das ich verwende, sind Home-Row-Modifiers. Die Firmware auf der Tastatur, QMK, erlaubt es, Tasten zu haben, die man tippen kann, um einen Buchstaben oder ein Zeichen zu erhalten, und die man aber auch halten kann, um einen Modifier (Shift, Strg, Alt,…) zu erhalten oder auf ein Layer zu wechseln. Hier ist mein Tastaturlayout:

Alternatives Tastaturlayout

Zeichen in der Mitte erhält man durch Tippen. Tasten, die auf der Vorderseite beschriftet sind, senden dieses Zeichen beim Halten der Taste. L1, L2 und L3 stehen für Layer. Was auf den Layern ist, ist farblich auf den Tasten markiert. Wenn ich also zum Beispiel R halte, dann habe ich auf E eine 5.

Gibt es Nachteile?

Tobias: Der Umstieg ist natürlich anstrengend. Außerdem sind die meisten der von mir beschriebenen Tastaturen mechanisch und nicht unbedingt günstig, manche muss man selbst zusammenbauen/-löten (kann man aber auch machen lassen). Mechanische Tastaturen sind Tastaturen, die unter jeder Taste einen individuellen Schalter haben, auch Switch genannt. Über diese Switches kann man auch nochmal großen Einfluss auf das eigene Tipperlebnis haben, denn es gibt Switches mit viel oder wenig Widerstand, mit oder ohne taktilem Feedback, leise oder laut. Meiner Meinung nach ist das aber alles den Aufwand wert, weil ich 8 Stunden am Tag, 5 Tage die Woche an der Tastatur arbeite und mir deshalb die Arbeit so angenehm wie möglich machen möchte. Auf einer genau auf mich abgestimmten Tastatur zu tippen, kann richtig Spaß machen.

Wie war der Umstieg?

Tobias: Als Erstes bin ich von QWERTZ auf K.A,Y umgestiegen, während ich parallel von einer 100%-Tastatur auf eine 60%-Tastatur umgestiegen bin. Unter QWERTZ konnte ich noch nicht blind schreiben, das habe ich dann nebenbei mit gemacht, ich musste ja sowieso schon quasi neu tippen lernen. Nach etwa einer Woche konnte ich komfortabel auf dem neuen Layout tippen, der Rest war motorisches Gedächtnis (Muscle Memory). Mittlerweile kann ich auf dem neuen Layout deutlich schneller tippen als ich auf QWERTZ je konnte. Ich kann aber weiterhin auf QWERTZ nach 5-10 Minuten Umstellung genauso schnell tippen wie davor. An die kleinere Tastatur hatte ich mich sehr schnell gewöhnt und fand sie deutlich angenehmer, weil ich einmal meine Hände weniger bewegen musste und meine Maus näher an mir dran war, was für die Schulter angenehm war. Über die Zeit wollte ich mehr und mehr meine Tastatur und deren Komfort optimieren und bin dann schließllich bei der obigen Tastatur gelandet. Ich persönlich fand sowohl ortholineare Tastaturen als auch spaltenversetzte sofort gemütlicher als die normaler reihenversetzten, aber das ist auch Geschmackssache.

Welche Tipps kannst du jemandem geben, der sich einen Umstieg überlegt?

Tobias: Man kann unter Windows, Mac und Linux schon das Tastaturlayout mit seiner normalen Tastatur ändern, Dvorak ist sowohl unter Mac als auch Windows in den Einstellungen vorhanden, unter Mac gibt es auch Colemak. Um auf der gewohnten Tastatur ganz schnell einen Eindruck zu bekommen, wie es sich anfühlen würde, einen bestimmten Text mit einem anderen Layout zu tippen, kann man dieses Layout-Simulationstool verwenden. Außerdem gibt es auch weniger extreme Varianten, wie man den Komfort beim Arbeiten schon erhöhen könnte. Ich habe zwar selbst keine Erfahrungen damit gemacht, aber es gibt auch einsteigerfreundliche Tastaturen (zum Beispiel die Microsoft Sculpt oder die Logitech K860), die versuchen, eine ergonomischere Haltung zu fördern (Hände weiter auseinander, dreidimensionale Struktur, um Pronation und Ulnardeviation zu reduzieren).

Am Ende des Tages ist es auch immer eine persönliche Sache, was man als angenehm empfindet und was nicht. Es gibt ergonomische Empfehlungen, aber wir sind alle unterschiedlich. Ob eine Tastatur gemütlich ist oder nicht, hängt auch von der eigenen Anatomie ab. Für mich hat zum Beispiel besonders die Position der Daumentasten einen großen Einfluss auf den subjektiven Komfort einer Tastatur.

Vielen Dank Tobias!