Die Selbstorganisation von Teams hat wesentliche Vorteile, die wirkliche Umsetzung ist aber nicht immer ganz einfach. Die Kolleg:innen der Scandio teilen ihre Erfahrungen, wie Selbstorganisation auf Teamebene gelingt. Unsere Tipps bringen mehr Produktivität sowie Transparenz und steigern Vertrauen und Zusammenhalt innerhalb des Teams. Als praktische Handlungsempfehlung erklären wir dazu die Team-Canvas-Methode und geben konkrete Leitfragen an die Hand.


Richtig umgesetzt, gibt Selbstorganisation im Team Orientierung, sorgt für klare Strukturen und stärkenorientierte Verantwortlichkeiten. Aber wie kann Selbstorganisation im Team entstehen und gefördert werden? Und was macht vor diesem Hintergrund eine moderne Teamführung aus?

Selbstorganisation und Teamführung

Selbstorganisierte Teams sind ein zentrales Element agiler Arbeitsmethoden, darunter Scrum. Selbstorganisation heißt dabei, dass das Team über ausreichend Freiraum innerhalb der Organisation verfügt, um selbst Verantwortung für die eigenen Themen übernehmen zu können. Weitreichende Entscheidungskompetenz des Teams ist vor diesem Hintergrund wesentlich, damit das Team die eigene Arbeit selbstständig strukturieren kann. Ebenso sind die Teammitglieder dafür verantwortlich, ihre Arbeit regelmäßig zu reflektieren, um die eigene Arbeitsweise und Organisation stetig zu verbessen.

Es gibt bei selbstorganisierten Teams also keine Führungskraft im klassischen Sinne, welche Aufgaben an die anderen verteilt. Vielmehr sind Führung ohne Weisungsbefugnis und das Selbstmanagement vorherrschend. Diese Art der Organisation im Team bedeutet allerdings nicht, dass jede:r alles macht oder alle Aufgaben immer gemeinsam erledigt werden. Stattdessen ergibt sich eine Rollen- und Aufgabenverteilung innerhalb des Teams beispielsweise aus den unterschiedlichen Kompetenzen eines diversen Teams.

Das alles klingt sicherlich eingängig, aber ggf. auch etwas einfacher, als es schlussendlich ist. Die gute Nachricht: Mit dem Team Canvas gibt es eine hilfreiche Methode zur Teamentwicklung.

Warum überhaupt Selbstorganisation im Team?

Egal ob flexible Organisationsformen, Kündigungen und Neueinstellungen oder Produkterweiterungen: Die Gründe für eine vollständige oder auch nur teilweise Änderung der Team-Zusammensetzung sind vielfältig. Dann heißt es, schnell wieder in eine Leistungsphase kommen, die durch Produktivität, Effizienz und Selbstorganisation geprägt ist.

Gleichzeitig nimmt mit der zunehmenden Komplexität der modernen Arbeitswelt auch die Sehnsucht nach Orientierung stetig zu. Und zwar nicht nur operativ, um beispielsweise zu verstehen, was aktuelle Anforderungen oder Aufgaben sind (ein Vorgehen, wie es sich in der Welt von Scrum und Design Thinking als nützlich erwiesen hat). Sondern vor allem auch, um Kräfte zu bündeln, die gemeinsame Ausrichtung greifbar zu machen und Gestaltungsmöglichkeiten aufzuzeigen.

Selbstorganisation im Team kann hierauf eine Antwort sein.

Unser Methodentipp: Team Canvas

Bei der Team Canvas handelt es sich um einen Prozess, der unter Moderation mit dem Team gemeinsam gestaltet wird und der auf die agilen Werte und Prinzipien abzielt, wie zum Beispiel:

→ Transparenz: Mithilfe des Team Canvas werden wesentliche Komponenten des Teams wie Auftrag, Ziele, Rollen, Aufgaben, Vereinbarungen etc. für alle Teammitglieder (und darüber hinaus) ersichtlich.

→ Kommunikation: Alle Teammitglieder werden aktiv eingebunden und schaffen dadurch ein gemeinsames Verständnis.

→ Fokus: Durch die Canvas hat das Team „alles auf einen Blick“.

→ Commitment: Das Team entscheidet eigenverantwortlich, wie die Canvas gestaltet und mit Inhalt gefüllt wird. Das stärkt die Selbstverpflichtung immens.

Zielsetzung einer Team Canvas

Mit der Team Canvas lassen sich beispielsweise die folgenden Ziele erreichen:

  • Unterstützung bei der gemeinsamen Ausrichtung eines Teams und damit auch bei der Vertiefung des Zusammenhalts innerhalb des Teams.
  • Die Grundlagen für eine gute Teamarbeit bilden.
  • Den Austausch starten/fördern über Ziele, Rollen, Werte, Regeln und Zweck des Teams.
  • Ein gemeinsames Verständnis und Orientierung schaffen.
  • Unterstützung bezüglich Selbstorganisation, Motivation, Selbstreflexion.
  • Onboarding neuer Teammitglieder.
  • Mögliche Missverständnisse / Irritationen innerhalb des Teams ausräumen.

Aufbau und Inhalte des Team Canvas

Die Canvas gibt es als vereinfachte Basisvariante mit fünf Bereichen sowie als ausführlichere Variante mit den kompletten neun Bereichen.

Hier gibt es das Team-Canvas-Template zum Download: theteamcanvas.com

Team Canvas Basisvariante:

Vision & Zweck (Purpose)

Hier geht es um das "Warum". Wozu gibt es das Team? Was ist Sinn und Nutzen für den Kunden? Was ist der Auftrag des Teams aus Stakeholder-Sicht? Hier ist es wichtig, dass sich das Team auf einen bis zwei Sätze einigt. Was hier im Zentrum steht, muss absolut tragfähig sein und von allen Teammitgliedern Zustimmung erfahren.

Leitfragen:

  • Warum tun wir das, was wir tun, überhaupt?
  • Was sind die Beweggründe für die Arbeit in unserem Team?
  • Was ist unsere Vision des Teams? Wozu gibt es uns?

Beispiel: Als Unternehmen möchten wir mit unseren Lösungen zu einer unkomplizierten, nachhaltigen Welt beitragen, in der es Spaß macht zu leben.

Rollen und Fähigkeiten (Roles & Skills)

In diesem Bereich geht es darum, die Teamzusammenstellung zu ermitteln. Wer sind die Teammitglieder und welche Rollen nehmen sie im Team ein. Im besten Fall werden die Rollen durch stärkenorientierte Verantwortlichkeiten vergeben, die das Team braucht, um seine Ziele umzusetzen.

Leitfragen:

  • Wie lauten eure Namen?
  • Was sind deine wichtigsten Fähigkeiten und Stärken, die du ins Team einbringst?
  • Welche Rolle(n) hast du im Team?
  • Wie werden wir als Team genannt?

Beispiel: Name des Teams: Crazy Coders

Gemeinsame Ziele / Teamziele (Goals)

In diesem Bereich einigt sich das Team auf gemeinsame Ziele.

Leitfragen:

  • Was wollen wir als Team erreichen?
  • Was ist unser wichtigstes Ziel, das machbar, messbar und zeitlich begrenzt ist?

Werte (Values)

Hier geht es um die zentralen Werte – die wichtigsten Grundsätze/Prinzipien – die man innerhalb des Teams teilen möchte. Das Team sollte sich auf die Werte einigen, so dass jede:r die endgültige Liste akzeptiert.

Leitfragen:

  • Wofür stehen wir?
  • Welche gemeinsamen Werte wollen wir als zentrale Punkte im Team haben?
  • Für welche Werte stehen wir im Team?
  • Was sind unsere Treiber im Team?
  • Was sind unsere Richtlinien/Leitprinzipien im Team?

Beispiel: Uns als Team liegen die Werte Offenheit, Transparenz und Mut am Herzen.

Regeln & Aktionen (Rules & Activities)

In diesem Bereich einigt sich das Team auf gemeinsame Regeln und Aktivitäten. Hier können vor allem Vereinbarungen zur Zusammenarbeit und Selbstorganisation getroffen werden.

Leitfragen:

  • Welche Regeln wollen wir nach dieser Sitzung einführen?
  • Wie kommunizieren wir untereinander, um uns auf dem gleichen Stand zu halten?
  • Wie treffen wir Entscheidungen?
  • Wie wollen wir uns als Team verbessern?
  • Wie gehen wir mit Konflikten um? Wollen wir Vereinbarungen treffen?
  • Welche Regeln und Rituale helfen uns bei unserer Selbstorganisation?
  • Wie stärken und befähigen wir uns im Team und übernehmen echte Verantwortung?

Beispiel: Wir greifen das Problem an und nicht die Person.

Team Canvas erweiterte Variante

Die ausführliche Variante des Team Canvas ist um vier weitere Bereiche ergänzt: Stärken und Kompetenzen, Schwächen und Entwicklungsbereiche, Bedürfnisse und Erwartungen sowie persönliche Ziele.

Stärken und Kompetenzen (Strenghts and Assets)

Das Team wird gebeten, die wichtigsten Fähigkeiten (sowohl Hard Skills als auch Soft Skills) und Stärken des Teams zu nennen. Die Teilnehmenden sollten ermutigt werden etwas über sich selbst zu erzählen und wichtige Qualitäten zu erwähnen, die sie bei ihren Teamkolleg:innen sehen.

Leitfragen:

  • Welche Fähigkeiten haben wir im Team, um unsere Ziele zu erreichen?
  • Welche Softskills haben wir?
  • Welche zwischenmenschlichen/weichen Fähigkeiten haben wir?
  • Wo sind wir richtig gut drin, entweder als Einzelne:r oder als Team?

Schwächen und Entwicklungsbereiche (Weaknesses & Risks)

Hier wird das Team gebeten, die wichtigsten Schwächen und verbesserungswürdigen Bereiche zu nennen, die sie bei sich selbst sehen; ebenso die Hindernisse, denen sie als Team gegenüberstehen. Der Schwerpunkt sollte darauf liegen zu berichten, was die Teilnehmer:innen bei sich selbst finden können, anstatt die Schwächen der anderen zu diskutieren.

Leitfragen:

  • Welche Schwächen haben wir im Team und als einzelne Person?
  • Was sollen die anderen Teammitglieder von mir wissen?
  • Welche Hindernisse und Probleme werden uns möglicherweise begegnen?

Bedürfnisse und Erwartungen (Needs and Expectations)

Das Team wird gebeten, die Bedürfnisse zu äußern, die sie haben, um erfolgreich zu sein. Dies ist als Fortsetzung der beiden vorangegangenen Abschnitte zu betrachten: Nach Ausdruck ihrer Stärken und Schwächen sollten die Teammitglieder in der Lage sein, ihre Bedürfnisse zu formulieren, um ihre Stärken zu verstärken (und trotz ihrer Schwächen ihr Bestes zu geben).

Leitfragen:

  • Was braucht jede:r Einzelne im Team, um erfolgreich zu sein?
  • Wie können wir uns im Team gegenseitig bei unseren Bedürfnissen helfen?
  • Wie könnte das Team jedem Mitglied bei der Erfüllung ihrer/seiner Bedürfnisse helfen?

Persönliche Ziele (Personal Goals)

Hier geht es um die individuellen und privaten Ziele der einzelnen Teammitglieder. Diese dem Team mitzuteilen, sollte freiwillig erfolgen, auch müssen persönliche Ziele nicht unbedingt im Zusammenhang mit den Teamzielen stehen.

Leitfragen:

  • Gibt es persönliche Beweggründe oder Ziele, die man mitteilen möchte?
  • Inwieweit decken sich gemeinsame und persönliche Ziele?
  • Wo sehen sich die Teammitglieder in 1, 3 oder 5 Jahren?
🚀
So kannst du auch deinen individuellen Arbeitsalltag klarer gestalten:
5 Tipps für eine effektivere Selbstorganisation.

Vorbereitung & Ablauf: How to Team Canvas

Die Team Canvas ist ein Framework zur Teamgestaltung. Die nachfolgenden Tipps helfen bei der Beantwortung der Leitfragen:

  • Füllt das Team Canvas in Form eines Workshops aus.
  • Als Richtwert solltet ihr für die Durchführung des Team Canvas in der Basisvariante um die 45 Minuten und für die erweiterte Variante rund zwei Stunden einplanen. Hinzu kommen dann natürlich noch Zeiten für Vor- und Nachbereitung.
  • Ein:e Moderator:in kann hilfreich sein, um die Konversation in Gang zu bekommen oder bei zu kleinteiligen Diskussionen den Fokus zu behalten bzw. das Gespräch zu lenken. Es empfiehlt sich ein:e Moderator:in von extern, sodass auch der Scrum Master des Teams als Teammitglied voll und ganz teilnehmen kann.
  • Druckt das Team Canvas im Großformat aus oder bereitet es im digitalen Whiteboard bzw. Miro vor.
  • Das Team Canvas wird gemeinsam ausgefüllt. Tragt dafür Sorge, dass alle Teammitglieder anwesend sind und genügend Zeit vorgesehen ist.
  • Geht die Felder gemeinschaftlich nacheinander durch und beantwortet die Fragen. Sammelt eure Stickies und diskutiert anschließend gemeinsam.
  • Die Team Canvas ist ein lebendes Dokument, welches in regelmäßigen Abständen – am besten einmal im Jahr – aktualisiert werden sollte.
  • Die Frequenz – also Wiederholung – könnt ihr individuell bestimmen. Eine kontinuierliche Überprüfung könnte in der Retro integriert werden. Bei größeren Veränderungen und Verschiebungen im Team oder der Umwelt empfiehlt es sich, mehr Zeit zu nehmen und den Workshop erneut zu durchlaufen.

Fazit

Die Team Canvas ist eine hilfreiche Methode, um die Teamarbeit regelmäßig zu reflektieren. Darüber hinaus unterstützt es dabei, ein gemeinsames Bild und Verständnis zu schaffen und Motivation sichtbar zu machen – einerseits durch individuelle Ziele, aber auch durch den gemeinsamen Auftrag (Purpose).

Neben Vision, Sinn und Zielen schafft die Canvas durch transparente Rollen und Aktionen einen Rahmen für selbstständiges und selbstorganisiertes Arbeiten – und damit für effiziente und effektive Zielerreichung. Zudem sorgt man so für eine wirksame und transparente selbstorganisierte Zusammenarbeit innerhalb des Teams.

🤝
Unsere Agile-Berater:innen stehen gern zur Verfügung, um über agile Themen zu sprechen und beim Einstieg ins agile Projektmanagement zu unterstützen: Hinterlasse uns gern eine Nachricht.